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Mouvementismus und ewiger Neuanfang

An all jene, die alles kurz und klein schlagen wollen

Donnerstag 3. Dezember 2009

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Man könnte glauben, die Erfahrung sei unser verlässlichster Verbündeter, man könnte auch glauben, dass, wenn der Boden unter den Füssen zu bröckeln beginnt, man sich dringend zusammenziehen sollte, um besser alles einzuschlagen, dass ein für den Triumph der Freiheit geführtes Leben nicht eine blosse Abfolge verkrüppelter Sterilitäten ist. Man könnte… Man will (sich) glauben (machen), dass sich hinter der politischen und syndikalistischen Maskerade, die sich wie ein frisch enthaupteter Körper bewegt, so etwas wie ein revolutionäres Potential versteckt, die Möglichkeit eines anderen Lebens, einer anderen Welt. Man betrügt sich, sich selbst und die Anderen. Man hält sich für etwas anderes als eine Art Fachperson des Aktivismus und der “Radikalisierung der Bewegungen“, um daraus letztlich eine Lebensweise zu machen, eine bequeme soziale Rolle. Aber wer davon lebt, einen Feind zu bekämpfen, hat alles Interesse daran, ihn am Leben zu lassen.

Jenes Stück Land, das unter der Herrschaft des französischen Staates steht, wird seit einigen Wochen von verschiedensten Unruhen erschüttert. Streiks, Blockaden, Plünderungen, Unruhen, Zerstörungen aller Art und Sabotagen versetzen den grauen Alltag in Aufruhr. Hier und da ziehen sich die Bullen angesichts der Demonstranten zurück, Schulen, Zollbehörden und Chefbüros gehen in Rauch auf, während Revoltierende jeglichen Alters etwas überall mit Wut und Freude Befreiungsmanöver entwickeln, die zugleich alt und neu sind wie die Welt. Die Praktiken sind radikal, daran gibt es keinen Zweifel.

Wir sind lediglich Frauen und Männer, ein Teil von jenen, die ihre Wut anpacken und in Praxis umsetzen, die einen Traum im Herzen haben, jener, unsere Leben wieder in die eigenen Hände zu nehmen und sie zu leben. Weil wir hier unten nur Tag für Tag etwas mehr absterben, und weil es jenseits von hier nichts anderes als falsche Paradiese gibt. Diese Praktiken sind Teil von jenen, zu denen wir raten, um diese uns erniedrigende Welt zu verwüsten. Es sind die Perspektiven totaler Befreiung des Individuums gegenüber den Institutionen, der Wirtschaft, der Ausbeutung und der Herrschaft im Allgemeinen, die uns zu ihnen greifen lassen. Es ist, weil wir etwas anderes erahnen können, dass wir auf diese oder jene andere Weise kämpfen.

Dieses Andere ist nicht eine Angelegenheit einiger elender Rentenjahre, noch von Gesetzesprojekten, und auch nicht von einem partiellen Rückgang der Ausbeutung. Es ist die völlige Umwälzung der Herrschaftsverhältnisse.

Wir haben realisiert, nach Jahrhunderten von mehr oder weniger verbreitetem sozialem Krieg, dass die Praktiken für sich alleine nichts über die Perspektiven aussagen, die zu erreichen sie bezwecken. Man kann damit drohen, eine Fabrik mit Gasflaschen in die Luft fliegen zu lassen für ein paar miese Euros, ebenso, wie man niederknien und sich allen möglichen Kompromissen ausliefern kann, um revolutionäre Ziele zu erreichen. Die Praktiken sind nur ein Vorzimmer der Perspektiven, und es sind revolutionäre und anti-autoritäre Perspektiven, die wir aufkommen zu sehen wünschen.

Noch eine Bewegung, noch eine Phase geistiger und physischer Ermüdung, die es nach den Fantasmen, die wir bereits tief in der Grube der Hoffnungslosigkeit vergraben haben zu kurieren gilt, die uns all unsere Kämpfe ausklammern und sie nicht zu rechtfertigenden “Imperativen“ aufopfern lässt. Überall anwesend sein, von seiner Person aufopfern, in der Wüste quichottieren. So tun, als ob man es nicht merkt, sich glauben machen, dass es einen Unterschied zwischen den Gewerkschaftsbünden und ihren Basen gibt, dass es in, mit oder im Bezug auf die Gewerkschaft noch immer etwas zu tun gibt. Im Grunde hat der Grossteil der Radikalen, die nur noch im Rahmen des Aktivismus zur Bewegung beitragen, sie in ihren Köpfen bereits begraben, während sie ihren Fall vorbereiten und auf Versperrungen der Rückkehr zur Normalität setzen, weitere Fantasmen von Hoffnungslosen.

Man verhält sich, als ob es nicht schon dutzende andere Bewegungen gab, als ob die Kritiken die auf jede von ihnen gefolgt sind, nur für die vorherigen Bewegungen gültig waren. Erinner dich gut, zu vergessen.

Jedes Mal ins Netz fallen, wie in einem ewigen Neuanfang, ja nicht die Realität vor Augen betrachten, in bösen Büchern gefundene Anleitungen anwenden, ohne jemals die Gewohnheiten zu verlassen: Aktionstage, Generalversammlungen (« inter-pro »), deren einziger Zweck ihre Wiederholung bis zur Unendlichkeit und ihre eigene Reproduktion zu sein scheint, Mythologie der Opposition zwischen der etwas-eingesponnenen-aber-aufrechten-Basis und den Gewerkschaftsführungen, Verherrlichung von Praktiken und in den Hintergrund Rücken der Inhalte, Besetzungen, bei denen man sich einschliesst, Symbolismen jeglicher Art, Rückgriff auf die Medien etc. Währenddessen entfesselt sich und revoltiert nebenan eine Jugend am Rande der Nervenkrise, eine Jugend, die sich rächt und den Geschmack wiederfindet. Auf der einen Seite Unruhen, auf der anderen mit der alten Welt versponnene militante Automatismen mit letztenendes, und bedauerlicherweise, wenigem, das sie unter einander verbindet. Wie Nachbarn, denen es nicht gelingt oder denen der Wille fehlt, um zu kommunizieren. Doch bei wem liegt der Fehler? Der gewählte Interventionsbereich sagt viel über den Inhalt aus, ebenso, wie der Mangel an oder die Verweigerung von Inhalt an sich ein klarer Inhalt ist, verdeckt unter einem gebieterischen Schleier zögerlicher Versuche und fassadenhafter Unsicherheit. In dieser Situation, mit Scheuklappen, die uns daran hindern, all die politischen Manöver unter unseren Augen zu erkennen, die sich jeglicher Spontaneität in den Weg stellen, treuherzig die gewerkschaftlichen Streikposten zu unterstützen, während die Flammen gleich nebenan an Höhe gewinnen, bedeutet, die bequeme Entscheidungen für die Gewohnheiten zu treffen und zu vermeiden, zum grossen Sprung ins Unbekannte einer kollektiven und individuellen Entfesselung der zerstörerischen Leidenschaften beizutragen.

Sagen wir es direkt heraus, seine Zeit damit zu verbringen, sich etwas vorzumachen, müsste einen doch letztenendes beunruhigen, ansonsten stellen wir die Aufrichtigkeit hinter den ausposaunten Anwandlungen bezüglich Radikalität und Bruch mit der Demokratie und ihren paar Vorteilen und Sicherheiten in Frage.

Wir haben es gesehen und wieder gesehen, es ist nicht die Quantität, die die Effizienz regiert, und es ist nicht die Strategie, die unsere Wut regiert. Der Elefant lässt sich streicheln, die Laus nicht.

Aus wenigen Personen bestehende Affinitätsgruppen, die sich kennen und denen es gelang, unter sich eine Affinität und gegenseitige Kenntnis zu entwickeln, geschärft durch gemeinsame Praktiken und Perspektiven, sind oft viel effizienter gewesen als unförmige Massen von Bullenbeute. Wir sprechen hier davon, Schläge auszutragen, zu Tage sowie zu Nacht, effizient, reproduzierbar und präzise, nicht symbolisch. Wir sprechen von wirklichen Schäden, wir sprechen davon, zum sozialen Krieg beizutragen, in dem wir uns auf keine Waffenruhe, Rekuperation oder Amnesie einlassen. Wir haben auch gesehen, dass auch diese Gruppen nicht alles alleine zum kippen bringen können, denn die Mechanismen der Herrschaft zerbrechen nicht durch Hammerschläge auf Schaufenster oder Molotow‘s auf Bullen, sondern auch im Experimentieren mit einem anderen Leben innerhalb des Kampfes und mit der alltäglichen Subversion der Beziehungen unter den Individuen. Die Ausgeglichenheit muss respektiert werden, Bewegung oder nicht.

Also, hören wir damit auf, Politik zu machen, lassen wir unserer Kreativität freien Lauf und lasst uns Ruinen hervorbringen…

Ich randaliere, du randalierst, er randaliert, wir randalieren, die schlechten Tage werden enden